Die erste Bilanz der amtlichen Tieranwältin

Zwei Kaelber

Nicht mehr ein unabhängiger Tieranwalt, sondern das kantonale Veterinäramt ist seit Anfang 2011 für die juristische Vertretung der Tiere in Strafverfahren zuständig. Tierschutzorganisationen sind noch immer sehr skeptisch.

Von Florian Imbach

In einem ist sich Tierschutzexperte Gieri Bolliger ganz sicher: «Die Abschaffung des Tieranwalts war schlecht.» Und er habe immer noch Bedenken gegen die neue Rolle des Veterinäramts. Bolliger ist Geschäftsführer der Stiftung Tier im Recht, die die Schweizer Tierschutzstrafpraxis genau verfolgt und jeden einzelnen Fall protokolliert. Bolliger sieht die Interessen des Tieres nicht mehr genügend gewahrt. «Ich bin nicht sicher, ob das Veterinäramt immer im Sinn des Tieres handelt. Oftmals stellt sich die Frage, ob ein Entscheid weitergezogen werden soll oder nicht. Da entscheidet ein externer Tieranwalt unabhängiger als eine Stelle in der Verwaltung.»

Auch andere Organisationen sind skeptisch. Andrea Danzeisen von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten sagt: «Ich bin davon überzeugt, dass das für die Tiere und den Tierschutz negative Auswirkungen hat.» Doch weder «Vier Pfoten» noch «Tier im Recht» können konkrete Anhaltspunkte liefern, dass die neue Regelung auch wirklich schlechter funktioniere. Es sei schwierig, ohne ofizielle Zahlen und ohne Einsicht in die Fälle eine Bilanz zu ziehen, sagt Tierschutzexperte Bolliger. Die Kritik der Organisationen ist grundsätzlicher Natur.

Ein emotionales Thema

Diese Kritik kann die Adressatin nicht nachvollziehen. Regula Vogel leitet das Veterinäramt. Ihr Amt ist alleine verantwortlich für die Wahrnehmung der Parteirechte der Tiere, nachdem der Kantonsrat die Stelle des externen Tieranwalts auf Anfang 2011 abschaffte. Sie sagt: «Die Aufgabenerfüllung läuft doch nicht grundsätzlich anders als bei einem externen Tieranwalt.» Das Veterinäramt setze sich fürs Tier ein, egal, ob es dar um gehe, Missstände vor Ort zu beheben oder eben neu seit Anfang 2011 die Parteirechte in Verfahren wahrzunehmen. «Tierschutz ist ein emotionales Thema. Auch weil Leiden und Angst nicht genau messbar sind und eingeschätzt werden müssen.»

Doch wie steht es um die Unabhängigkeit der amtlichen Tieranwältin? Als Teil der Verwaltung könne sie die Tierrechte nicht unabhängig wahrnehmen, befürchten Tierschutzorganisationen. Die zuständige Veterinäramtsmitarbeiterin Ursula Wirz arbeitet zu rund 40 Prozent als Tieranwältin und zu 60 Prozent führt sie andere juristische Tätigkeiten im Veterinäramt aus. Die Amtsleiterin sieht darin kein Problem: «Sollte es Verknüpfungen im Amt geben oder unsere Rechtsanwältin persönlich befangen sein, würde ein externer Anwalt eingeschaltet, der entsprechende Erfahrung hat.» Dies sei überdies auch der Fall, wenn die amtliche Tieranwältin länger abwesend sei.

Die Wahrnehmung der Parteirechte in Strafverfahren wegen Tierschutz laufe gut. Die Kosten würden sich wohl im gleichen Rahmen wie damals beim externen Tieranwalt bewegen, also bei rund 80 000 Franken jährlich. Nach einer ersten Hochrechnung des Amts seien dieses Jahr rund 230 Fälle neu eröffnet worden, deutlich mehr als die 176 Fälle im letzten Jahr. Thematisch seien die Fälle mit jenen früherer Jahre vergleichbar, sagt Vogel. «Auffallend ist der hohe Anteil an Hundefällen.» Diese hätten zugenommen, weil solche Fälle oft gekoppelt seien mit Verstössen gegen das Hundegesetz. Doch hatte die amtliche Tieranwältin offenbar auch gröbere Fälle zu betreuen: «Es gab auch Einzelfälle von Tiermisshandlung », bestätigt Vogel.

«Verpasste Chance»

Die Umstellung auf die amtliche Tieranwältin ging nicht ohne Schwierigkeiten über die Bühne. Die Behörden informierten das Veterinäramt laut Vogel anfangs nicht in allen Fällen über Tierschutzverstösse, trotz entsprechender Vorschrift im Tierschutzgesetz. Heute sei die Mitteilungsdisziplin aller Beteiligten aber gut, sagt Vogel. In diesem Zusammenhang wäre die Tierschutzverordnung hilfreich, sieht sie doch eine zusätzliche Meldeplicht für Staatsanwaltschaften und Statthalterämter vor, wenn diese ein Tierschutzverfahren eröffnen.

Ein Mangel an Informationen stört auch Antoine Goetschel. Der ehemalige externe Zürcher Tieranwalt spricht von fehlender Transparenz und einer verpassten Chance: «Das Veterinäramt informiert nicht über seine strafrechtlichen Tätigkeiten. Wir wissen nicht, was sie genau machen oder ob sie überhaupt etwas machen.» Einmal im Jahr in einem Bericht ein paar Zahlen zu veröffentlichen, genüge nicht. Das Amt müsse laufend informieren, auch mit anonymisierten Fällen. Dadurch, dass das Veterinäramt «den Deckel drauf halte», fehle eine präventive Wirkung, die potenzielle Tierquäler abschrecken könnte. «Es bleibt ein ungutes Gefühl », fasst Goetschel zusammen. Sein Wissen gibt er nun im Ausland weiter, wie er sagt. Er schreibt an einem Buch, das 2012 erscheinen soll unter dem Titel: «Tiere klagen an».

Dieser Text erschien gedruckt am 30. Dezember 2011 in den Zeitungen „Der Landbote“ und „Zürichsee-Zeitung“. Verwendung nach Rücksprache mit dem Autoren Florian Imbach.

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